alt
Mit dem Alter ist es so eine Sache:
Man bekommt die Krise.
Was wird, was bleibt, was vergeht, was verändert sich, was stirbt?
Die Demographie ruft: Hilfe, immer mehr Alte kommen!
2030 wird jeder Vierte älter als 65 sein.
Immer weniger Kinder, immer weniger Jugendliche,
immer weniger Wachstum, Diskussion, Reibung, Austausch?
Man hört Stimmen, die sagen: „Damit hab ich doch keine Probleme!“
Oder: „Nicht alt, sondern nur älter!“ Eben etwas schonender ausgedrückt.
Und: Alt ist man sowieso erst ab 80.
Obwohl:
Alt werden schon die kleinen Kinder.
Unsere Zellen erneuern sich zwar teilweise, altern aber auch.
Abfallprodukte des Zellstoffwechsels lagern sich teilweise sogar in den Körperzellen ab und lassen uns so altern. Pro Sekunde sterben bei einem Erwachsenen zwischen 10 und 50 Millionen Zellen, das Erneuern geht ab 30 Jahren immer langsamer, manche Zellen erneuern sich gar nicht: die Gehirnzellen zum Beispiel, die unsere Erinnerungen speichern, werden niemals ausgetauscht!
Die Eizellen der Frau beispielsweise sind die größten menschlichen Zellen, vermehren oder erneuern sich aber im Gegensatz zu den männlichen nicht.
Alt ist einfach ein Wort.
Wir füllen es wie so viele andere Worte mit Bewertungen, Interpretationen, Bildern.
Wenn man alt ist…
wird man faltig, gebückt, krank, vergesslich, abhängig, …
ist man nicht mehr so flexibel, nicht mehr so schnell,
nicht mehr so interessant, nicht mehr so attraktiv, ...
Doch warum bewerten wir, ordnen wir immer ein?
Das gibt Sicherheit, so heißt es.
Doch:
Auch der Junge vergisst.
Auch der Alte chillt.
Auch das Kind kommt aus dem Gleichgewicht.
Auch der 30 Jährige ist abhängig.
Auch das Baby kleckert.
Auch die 50 Jährige ist süß.
Auch der Opa nervt.
Auch der Pubertierende braucht die Wärmflasche.
Auch die 20 Jährige hört manchmal schlecht.
Warum lassen wir nicht einfach den Mensch?
Lassen uns einfach das Leben?
Schon mit den Sorgen und Ängsten, die berechtigt und begründet sind.
Schon mit Planungen und Hoffnungen, dass es gut wird.
Schon mit dem Erschrecken und dem Ekel.
Schon mit den Schmerzen und Plagen.
Schauen wir immer wieder auf das, was wir wirklich brauchen.
Was die Menschen um uns brauchen,
ohne vorher abzumessen, zu prüfen, einzuschätzen:
Wie alt der Mensch wohl ist, welche Bildung er hat,
zu welchem „Club“ er gehört, ...?
Alt werden ist Aktion, die mit dem Leben beginnt,
die ständig wandelt, wie die ganze Natur,
stirbt, vergeht, Raum macht für Neues, für Wachstum.
Alt werden wir jung.
Sabine M. Priel
09.03.2015