Eines der stärksten Anliegen von Papst Franziskus auch im jüngsten Rundschreiben „Laudato si“ ist es, sich für die Armen einzusetzen, das Gemeinwesen zu stärken und ungerechte Strukturen zu beseitigen. Eines der häufigsten Aussagen der Bibel befasst sich mit Reichtum und Armut. Moderne Sozialwissenschaften sehen in der extremen Armut eines der Gründe für Flucht, Gewalt und Krieg.

Sicher wünschen wir uns, dass unser Zahnarzt, unser Anwalt, unser Steuerberater und unser Versicherer unsere Interessen kennt und unsere Anliegen vertritt. Wir erwarten, dass sie sich um uns kümmern und uns ihr Können zur Verfügung stellen. Wir gehen davon aus, dass sie uns geben, was wir brauchen.

Seit einiger Zeit frage ich mich, warum Christen in Europa nicht nur zahlenmäßig kleiner, sondern auch weniger wahrgenommen werden. Ihr Einfluss nimmt ab, ihre Stimme wird weniger gehört. Sicher fällt jedem von uns sofort ganz viel ein, warum das so ist. Mir fällt zum Beispiel ein, dass allzu häufig Christen ihr Christsein nicht wirklich leben: Ehrlichkeit, Nächstenliebe, Demut, Orientierung an Gottes Geboten und Vertrauen werden weniger ernst genommen, gelten nicht mehr als absolute Richtschnur.

„Das gehört sich nicht", sagte man früher, wenn jemand Dinge tat, die nicht richtig waren. Falsches und unangemessenes Verhalten wurde als „ungehörig" bezeichnet. Meine Tochter mit ihren 15 Jahren kennt diese Ausdrücke nicht mehr. Vielleicht ist es kein Zufall, dass solche Begriffe aus der heutigen Zeit nahezu verschwunden sind. Ich frage mich, ob dieses Verschwinden auch damit zu tun hat, dass es keine gemeinsamen Werte und Normen mehr gibt.