Für viele Eltern ist heute nicht mehr die (schulische) Leistung der Kinder das Ziel Nummer 1, sondern dass sie hilfsbereit und mitfühlend werden. Auch wenn der Erfolg der Kinder als eigener Erfolg qua Stellvertretung erlebt wird, finden immer mehr Eltern, dass es auf das soziale Engagement, auf Fairness und Ehrlichkeit ankommt. Doch schwerer, als Kinder für ihre Anstrengungen zu belohnen, um aus ihnen gute Leistungen hervorzurufen, ist es durch Lob und Belohnung freundliche und soziale Kinder zu erziehen.
Man kann eine Menge tun, um förderliche Bedingungen für gutes Verhalten zu schaffen. Man kann das Kind loben, wenn es gutes Verhalten zeigt. Loben ist nachhaltiger, als belohnen.
Doch soll das Verhalten, oder eher das Kind selbst gelobt werden? Auch hier, entgegen mancher Intuition, ist es deutlich effektiver, die Person zu loben: „Du bist aber hilfsbereit“, „Du bist ein freundlicher Junge“ oder „Du bist ein einfühlsames Kind“.
Ebenso ist es wirkungsvoller, zukünftig negatives Verhalten bei den Kindern zu verringern, wenn man auf den Charakter, auf die Person und nicht auf das Verhalten eingeht. „Du bist doch kein Lügner“ wirkt stärker, als „Du wirst doch nicht lügen“.
Schadet ein Kind einem anderen Kind, indem es ihm z.B. sein Spielzeug wegreißt, dann kann man seinen Ärger ausdrücken: schimpfen, Strafe androhen und sich abwenden. In der Regel führt dies dazu, dass das Kind denkt, es sei eine schlechte Person: Es schämt sich. Kinder, die sich schämen fühlen sich wertlos und klein. Sie verstecken sich und alles, was auf ihre Fehler hinweist.
Entscheidend besser ist es, seine Enttäuschung auszudrücken, aufzuzeigen, wie es dem andern Kind geht, sich in das andere Kind hineinzuversetzen, gemeinsam zu überlegen, wie es den angerichteten Schaden wieder gutmachen kann. So entsteht im Kind ein Schuldbewusstsein: Man hat einen Fehler gemacht. Dadurch, dass man die Schuld eingesteht, das Spielzeug zurückgibt und sich entschuldigt kann man den Fehler wieder gut machen. Ein „Neustart“ ist möglich, daneben entsteht ein „Gefühl“ für Moral.
Will man nicht nur warten, bis sich gutes Verhalten bei Kindern spontan zeigt, um es dann zu loben, gibt es noch einen aktiveren Weg, den zu beschreiten sich lohnt. Kinder lernen wesentlich durch „Nachmachen“. Ein klassisches Experiment hierzu stammt von J.P. Rushton:
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Kinder konnten beim Spiel Kärtchen gewinnen. Nach dem Spiel konnten sie ärmeren Kindern Kärtchen schenken.
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Zuvor spielten Erwachsene das Spiel vor. Einmal gaben die „Vorbilder“ viel ab, mal gaben sie ganz wenig ab. Die Erwachsenen erklärten dabei, warum es gut ist, großzügig zu sein und warum es gefährlich ist viel herzugeben und schließlich sagten manche gar nichts.
Als man die Kinder, die das unterschiedliche Verhalten der Erwachsenen beobachtet hatten, miteinander verglich, zeigte sich, dass diejenigen die großzügige Vorbilder sahen, über 85 % mehr Kärtchen abgaben, egal ob Großzügigkeit gepredigt wurde oder nicht. Diejenigen die egoistische Vorbilder sahen, gaben weniger Kärtchen ab, egal was ihnen von den Erwachsenen gesagt wurde.
Am interessantesten aber sind die Ergebnisse, die sich, in einem 2 Monate später durchgeführten Test, gezeigt haben. Dort zeigte sich, dass diejenigen Kinder am großzügigsten waren die nur den großzügigen Erwachsenen beobachten konnten, der k e i n e Begründungen abgab. Sie waren um 31 % großzügiger, als diejenigen Kinder, die den großzügigen Erwachsenen beobachtet und eine Begründung für deren Großzügigkeit gehört hatten.
Will man seine Kinder zu großzügigen, hilfsbereiten Menschen erziehen, ist es entscheidend, dass man selbst hilfsbereit ist und nicht darüber predigt.