Jesus sagte zu seinen Jüngern: Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben, daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt.
Ob jemand Jesus nachfolgt, sein Jünger ist, also Christ ist, ist keine Frage der Selbstdarstellung, keine Selbstaussage, die man über sich selbst machen kann, so als ob man sich einfach als Christ bezeichnen könnte, sondern eine Frage der Liebe. Die Liebe ist das Erkennungszeichen, das Merkmal fürs Christsein.
Ganz eindeutig, wieder einmal, liegt das Entscheidende, auf was es ankommt, beim Tun beim Handeln. Nicht was man über sich sagt gilt, sondern wie man sich verhält, daran sieht man wer und was man ist. Es zählen nicht die Namen, nicht die Labels, nicht die Etiketten, nicht die Titel, nicht der Kleider, sondern das was jemand tut oder eben nicht tut.
Nicht das Versprechen zählt, sondern das Einhalten der Versprechen. All die Abgrenzungen und Ausgrenzungen die Sprache schafft, kann keine Rolle mehr spielen, denn darauf allein wird man nicht mehr hören müssen. Sprache hat keinen alleinigen Erkennungswert mehr. Allein am Tun wird erkannt. Die Liebe ist es die zählt.
Es gibt eine breite Verwendung von Liebe: Man liebt seine Familie, seinen Hund, sein Land, seinen Beruf und vielleicht diese Gedanken zu lesen. Liebe ist vielfältig. Was liegt dieser Liebe zugrunde? Was verbindet all diese Arten von Liebe?
Die Frage die sich stellt ist, wie sieht diese Liebe aus? Was versteht man unter Liebe. Wie hat Jesus seine Jünger geliebt? Wie kann man Liebe allgemein formulieren? Ich meine Liebe meint Zugehörigkeit, Zusammengehörigkeit, Dazugehören. Diese Zugehörigkeit zueinander in Freiheit und ohne Zwang. Liebe ist so das „Ja“ zur Zugehörigkeit, das bewusste „Ja“ zueinander. Und jetzt kommt das oben genannte hinzu, nämlich das Handeln, das Tun. So ist die Liebe das gelebte, das vollzogene, das praktizierte „Ja“ zueinander, das gelebte „Ja“ zur Zugehörigkeit.
Konkret heißt das, dass man sich nicht als isoliertes Wesen, als Individuum nur, sondern dass man sich verbunden und eins fühlt, mit den Mitmenschen, mit den Mitgeschöpfen, mit allem was gegeben ist, was uns gegeben ist. Ich glaube, das ist es auch, was uns unsere Erfahrung sagt. Wenn wir zusammen mit anderen sind, miteinander reden, miteinander singen, miteinander Musik machen, gemeinsam Probleme lösen, uns füreinander einsetzen, dann geht es uns gut, dann wächst und entwickelt sich was, dann geht es uns gut.
Zugehörigkeit ist am schönsten, wenn eine wechselseitige Zugehörigkeit gemeint wird. Diese wechselseitige Zugehörigkeit wird dadurch gelebt, dass man sich gibt, etwas von sich gibt, dass man vergibt, auch eine Form von Geben, vielleicht eine der schwierigeren Formen.
Zugehörigkeit meint nicht nur Zugehörigkeit zum andern, sondern auch zu Gott und zu mir selbst.
Zugehörigkeit ist eine zentrale Grundkraft bei uns Menschen, deutlich sichtbar beim kleinen Kind es braucht eine Bezugsperson, oder der Jugendliche der sich zur peer group hingezogen fühlt. Der durch Markenzeichen seine Zugehörigkeit ausdrückt.
Gerald Hüther der bekannte Hirnforscher meint sogar, dass die Zugehörigkeit zu den andern so stark ist, dass es für kein Kind gut ist, wenn man es bspw. aus der Klasse oder der Gruppe herausnimmt, um ihm speziellen Förderunterricht zu geben, weil es da immer drandenkt warum bin ich nicht bei den andern? Wie kann ich da wieder zurückkommen? Denn wenn jemand ausgeschlossen wird, dann laufen im Gehirn genau dieselben Prozesse ab, wie wenn man körperlichen Schmerz zufügt.
Joachim Bauer ordnet das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu den biologisch stärksten Belohnungssystemen in unserem Gehirn zu. Auch er stellt dar, dass Ausschluss aus der Gemeinschaft neurobiologisch das Gleiche geschieht wie beim Zufügen von Schmerzen.
Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid. Alle. Daran werden alle erkennen. Wenn alle erkennen werden, dann ist es etwas das in allen Menschen ist. Etwas das in allen Menschen lebt. Auf das hin alle Menschen angelegt sind. Etwas für das alle Menschen sensibel sind, offen und quasi mit einem Organ ausgestattet. Auch hier wird deutlich, dass unter uns Menschen etwas Gemeinsames, etwas Gleiches vorhanden sein muss. Dass wir quasi auf einer tieferen Ebene eins sind. Hat nicht in diesem Sinne jeder Mensch schon mal die Erfahrung des Einsseins mit allem gemacht, eine mystische Erfahrung. Zumindest berichten alle „Mystiker“ von solchen Erfahrungen des „Einsseins“, der Verbundenheit mit allem. David Steindl Rast spricht davon, dass es so viele mystische Erfahrungen gibt wie es Menschen gibt. Liebe meint diese innere Verbundenheit, dieses Einssein. Einssein mit dem konkreten mich umgebenden Umfeld, mit dem Nächsten, dem nahe bei mir stehenden.