Advent heißt Ankunft. Advent meint warten auf die Ankunft des Herrn, des Retters. An Weihnachten soll er kommen. In dieser geweihten, Heiligen Nacht. Wir warten auf Rettung. Warten kennt jeder von uns.
Man kann auf etwas Schönes warten oder auf etwas weniger schönes. Man muss mal an der Kasse warten, beim Arzt oder auf den Handwerker. An der Kasse müssen wir warten bis wir dran kommen.
Im Wartezimmer müssen wir ebenso, wie das Wort schon sagt, warten. Mit Warten verbinden wir: Ich kann nichts tun, bin angewiesen auf das Eintreten des Ereignisses auf das ich warte.
Advent ist die Zeit des wartens: Wartezeit. Worauf warten? Wir warten auf Rettung: Das heißt: Wir müssen gerettet werden. Das ist die angenommene Ausgangslage. Das heißt: Wir befinden uns in einer misslichen Lage, die der Befreiung, der Rettung oder wie man früher sagte: der Erlösung bedarf. Mit anderen Worten: Wir können uns nicht selbst retten, wir brauchen jemanden der uns rettet. Wir selbst können nichts zu unserer Rettung dazutun. Uns bleibt nur das Warten.
Dieses Bild vom Warten auf etwas Gutes, Schönes, Befreiendes, auf Rettung wird unterstrichen durch die Symbolik des Lichtes. Nicht von ungefähr ist das Weihnachtsfest in die dunkelste Jahreszeit gelegt. In die Zeit in der es am längsten dunkel ist. Genau in diese Dunkelheit hinein kommt das Licht. Das Licht ein Symbol, ein Zeichen für das Rettende für das Befreiende.
Denn, wenn es dunkel ist, verliert man die Orientierung, bekommt nichts mit, ängstigt sich, fürchtet sich, man fühlt sich allein und einsam. Das Licht bringt Rettung. Man sieht etwas, man weiß, was um einen los ist: Das Licht wärmt, Licht ist Leben.
Die Lichter sind Zeichen, Symbole für das was eigentlich stattfindet: Rettung. Weihnachten ist ein Fest der Rettung, ein Befreiungsfest.
Auch wenn es historisch eher unwahrscheinlich ist, dass Jesus in der Nacht vom 24. auf 25. Dezember geboren wurde, ist es ein symbolisch gut gewählter Zeitpunkt. Wegen der Lichtsymbolik.
Dass Jesus geboren wurde, nicht in einem hohen Herrscherhaus, nicht in der großen Stadt Jerusalem, sondern in eher armen Verhältnissen ist dagegen historisch sehr plausibel.
Dass durch die Geburt des Kindes Leben in die Welt gekommen ist, ist nicht nur symbolisch zu verstehen, sondern kann, ja muss ganz konkret verstanden werden. Es geht also um das Leben, welches in die Welt gekommen ist. Es geht an Weihnachten um das Leben. Soweit ist es, glaube ich, sehr klar und für alle plausibel, unstrittig.
Sehnsucht
Schauen wir auf uns:
Wie sieht es aus mit unserer Sehnsucht. Mit unserer Sehnsucht nach Leben, mit meiner Sehnsucht nach Licht, mit meiner Sehnsucht nach Frieden, nach einer heilen Welt. Wie sehr warte ich auf Rettung, auf Erlösung?
Überlegen wir kurz wie sieht meine Sehnsucht aus? Auf was warte ich, wo brauche ich Hilfe, wie sehr brauche ich einen Retter, Erlösung von „außen“, auch wenn es sich in meinem Innern abspielt, wie sehr erwarte und benötige ich Hilfe von „Oben“?
Matthäusevangelium
In der Zeit auf Weihnachten hin, der Adventszeit, erinnern wir uns an das was in der Bibel im Matthäusevangelium über diejenigen gesagt wird, die von der Geburt des Kindes überrascht wurden, die mit dieser Geburt konfrontiert wurden.
Werfen wir zunächst einen Blick auf eine Gruppe die sie alle gut kennen, die „Weisen aus dem Morgenland“. Als Sternsinger gehen sie bei uns von Haus zu Haus und sammeln für Kinder in Not und wünschen Gutes, den Segen Gottes. So kennt sie jeder. Ich habe diese Gruppe ausgewählt weil sie eine ausgesprochen große Sehnsucht hatten. Lesen sie kurz Teile dieser Geschichte:
Die Huldigung der Sterndeuter: Mt 2,1-12
Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem
und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.
Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem.
Er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle. Sie antworteten ihm: In Betlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten:
Du, Betlehem im Gebiet von Juda, / bist keineswegs die unbedeutendste / unter den führenden Städten von Juda; / denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, / der Hirt meines Volkes Israel.
Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war.
Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige.
Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.
Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt.
Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.
Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.
Woran lässt sich die Sehnsucht der Sternforscher erkennen? Daran, dass sie über 1000 Kilometer mit ihren Kamelen unterwegs waren. Sie kamen aus dem Osten, aus Mesopotamien. Wenn man diese Strecke bis nach Jerusalem zurücklegen will, benötigt man zwei Monate.
Man muss schon sehr motiviert sein um eine solch große Strecke zurückzulegen.
Sternforscher
Was lässt sich über die Sterndeuter sagen?
In der damaligen Zeit hatte man einen sehr starken Sternenglauben. In den Sternen war das Schicksal der Menschen abgebildet. Besonders die Herrscher hatten „ihren Stern“, dort konnte man ablesen wie deren Schicksal verlaufen wird. Die Weisen aus dem Morgenland waren Astrologen, Astronomen, Priester und Berater der Herrscher. Sie waren Staatsbeamte und lösten die alte Priesterkaste mehr und mehr ab. Wenn sie die Sterne deuteten, dann hörten die Könige und Herrscher aufmerksam zu, denn dort war ihre Zukunft verzeichnet.
In der Antike glaubten alle an das Schicksal und an die Sterne, ausgenommen die Juden.
Damals gab es für die Sternenforscher zwei besondere Ereignisse. Das eine war die Konjunktion von Saturn und Jupiter. Saturn und Jupiter stehen scheinbar, von der Erde aus gesehen genau übereinander. Das war genau im Jahre 7 v. Christi Geburt. Heute kann man das ganz genau ausrechen, bis auf die Sekunde genau. Das andere Ereignis war, dass diese Konjunktion eine dreifache war und im „letzten“ Sternbild: das der Fische in Erscheinung trat. Mehrere Wochen lang und das 3 mal im Jahr. Die babylonischen Sterneforscher sahen darin ein Jahrhundertereignis. Tatsächlich kommt eine 3 fache Konjunktion von Jupiter und Saturn nur alle 854 Jahre vor. Heute kann man dieses hintereinanderstehen dieser beiden Sterne, als Stern von Bethlehem deuten.
So ist es historisch sehr wahrscheinlich, dass es Sternforscher gab, die sich von diesem Ereignis leiten ließen und sich auf den Weg gemacht haben um den Friedensbringer und König des Lichts zu finden. Denn die Parther hatten an den Sieg des Lichts über die Finsternis geglaubt. Sie erwarteten, dass ein Retter kommt der das Licht (Ahura Mazda war deren Lichtgott und Mithras deren Bote) über die Finsternis (Gott der Finsternis und des Bösen: Ahriman) siegen lässt. So machten sich die Sternenforscher auf den Weg den Weltenherrscher, den Friedensbringer zu finden. Denn es war ja im Sternenbild ablesbar: dass die Endzeit angebrochen ist (…im Sternbild der Fische) und es war ein neuer Stern im Aufgehen (Konjunktion von Jupiter und Saturn) Wobei der Stern Saturn der Stern der Juden bedeutete und Jupiter galt als Königsstern, denn Jupiter ist ja der oberste Gott im Pantheon, im Götterhimmel)
Die Sternforscher waren also sehr weit weg. Geographisch als auch von ihrem Glauben her. (Es war sogar bei Todesstrafe verboten für einen Juden bei einem, wie die Juden sie nannten, Planetenanbeter in die Lehre zu gehen.) Diese Abenteurer die sich aufgemacht haben um den Friedens- und Lichtbringer zu finden, sind wirkliche Adventsfiguren. Wenn man, im englischen, das Wort adventure anschaut, sieht man sofort, dass dort Advent steckt. Advent ein Abenteuer. Erfahrungen machen, neues erleben, neugierig sein, sich überraschen lassen, sich auf die große Reise machen. Ein Abenteuer eingehen. Wie die Sternenforscher, das meint Advent!
Interessant ist auch, dass die Sternforscher nicht nach „ihrem“ Stern gesucht haben, sondern nach dem Stern eines anderen. Die meisten heutigen Sterngläubigen interessieren sich hauptsächlich dafür: Was die Sterne über sie sagen. Wie die Herrscher der damaligen Zeit wollen auch sie wissen, was das Schicksal für sie bereithält.
Schriftgelehrte
Die Weisen aus dem Morgenland ließen sich leiten bis sie in Jerusalem ankamen und dort im Königspalast angekommen, nicht mehr weiterkamen, denn dort war kein neuer König, dessen Stern sie im Aufgehen gesehen haben, geboren worden. Das überraschte sie, denn der König sollte doch im Palast geboren werden. Sie fragten nach und ihnen wurde von den Schriftgelehrten gesagt, dass in Betlehem der neue König auf die Welt kommen sollte. Die Schriftgelehrten kannten die Bibel und was da über den Messias steht, sehr gut. Sie wussten Bescheid. Sie wiesen den Sterndeutern den Weg. Sie selbst aber gingen nicht nach Betlehem. Das ist ein besonders interessanter Aspekt. Die Fremden gehen zum Messias, diejenigen dessen Messias geboren wurde, bleiben Zuhause.
Die Schriftgelehrten, diejenigen die Bescheid wussten gehen nicht zum Neugeborenen König.
König Herodes
Eine dritte Person bzw. Personengruppe ist bzw. sind neben den Sternforschern und den Schriftgelehrten König Herodes. Auch er war wie alle Herrscher der Antike sehr sternengläubig. Für ihn war es klar, dass die Sterne Recht haben. Dass der neue König geboren wurde. So ging es ihm nur um die Frage wo genau der neue König geboren wurde. Er hatte kein Glaubwürdigkeitsproblem, sondern das Problem der Konkurrenz. Er wusste entweder er oder ein anderer. Und er wollte auf keinen Fall seine Macht und Herrschaft abgeben. Er wollte der Herr über seinen Palast, (seine Paläste muss man bei ihm sagen,) über sein Reich bleiben. Als die Sternenforscher nach dem neugeborenen Messias fragten, hieß es, dass er erschrak und mit ihm ganz Jerusalem.
Advent heißt für ihn, dass eine andere Wirklichkeit ankommt. Für Herodes heißt Advent: da kommt etwas auf mich zu, das mein Selbstkonzept durcheinander bringt. Da werde ich infrage gestellt: Mein Herrschaftsanspruch, meine Macht mein Einfluss. Da wird mein Ego ernsthaft gefährdet. Wenn der neue König, der König des Friedens seine Macht antritt, dann wird die eigene Überheblichkeit angekratzt. Dann heißt es: Er oder ich. Dann muss man die künstlichen Stützen der Selbstherrlichkeit fallen lassen. Dann bekommt das Ego Vernichtungsängste. Dann stellt sich die Frage, wer oder was regiert mich. All das heißt auch Advent. Da kommt eine neue Wirklichkeit auf mich zu. Steht als Frage vor mir: Soll das Gute, der Friede, die Wahrheit, die Gerechtigkeit über mich regieren oder eben deren Gegenteil.
Interessant ist auch, dass wir selbst, dass die meisten Menschen, davon überzeugt sind, dass das Gute sein soll, dass die Botschaft der Gerechtigkeit, der Liebe, der Menschlichkeit glaubwürdig und überzeugend ist. Aber passt es in mein Lebenskonzept, mein Selbstbild? Wenn Gott mir nahe kommt, dann kann das auch ganz schön störend sein. Muss ich da nicht aus meinem Palast Ich heraus und Gott auf den Thron meines Lebens Platz nehmen lassen.
Muss ich mich dann nicht realistisch wahrnehmen, als das was ich wirklich bin: Niemand hat sich das Leben selbst gegeben, niemand kann sich das Leben selbst geben: Jeder von uns ist ein Geschenk, mir selber und den andern gegeben.
Auch mein Wert, meine Würde ist ein Geschenk, ein Geschenk eines Andern an mich? Auch Gelegenheiten sind mir gegeben. Chancen sind mir geschenkt. Die Luft die wir zum Atmen brauchen, das Licht damit wir sehen, uns geschenkt.
Wenn wir die drei vorgestellten Adventsfiguren anschauen, als Vorbereitung auf Weihnachten, dann können wir in ihnen Anteile von uns entdecken. (Persönlichkeitsanteile, eigene Reaktionsweisen auf die Erfahrung von Wirklichkeit von wahrem Leben und wenn sie so wollen von Gott.)
So wie die Sternforscher von ferne gekommen sind, so können auch wir uns ferne fühlen, und wir können uns auf den Weg machen, auf die Suche nach der Wahrheit, nach dem Guten, nach dem was zählt. Auch in uns kann Abenteuerlust stecken. Der Wunsch nach Veränderung, nach wahrem Frieden, nach Versöhnung
Oder es können in uns auch Anteile der Schriftgelehrten stecken. Anteile die sagen, ich weiß schon was gut und richtig ist, was wahr und schön ist aber selber will ich es nicht tun, mich nicht auf diesen mühsamen Weg machen. Die Schriftgelehrten wissen ganz genau Bescheid, sie geben klar Auskunft wo der Retter geboren wird. Vielleicht kann ich gut reden, wenn es um die Lösung von Konflikten der andern geht, wenn sie Fragen haben, kann ich gute Antworten geben, aber mein Leben krieg ich nicht auf die Reihe. Oder ich kann andern sagen, wie sie sich verhalten sollen, aber ich verhalte mich selbst nicht so, kann meine erteilten Ratschläge nicht umsetzen.
Schließlich können Anteile von König Herodes, auch in mir sein. Auch ich kann Herrscher sein wollen, da ist es völlig egal, wie groß der Herrschaftsbereich ist. Oder ich sträube mich gegen Veränderungen, die von andern vorgeschlagen werden. Ich will die Zügel meines Lebens immer selbst in meinen Händen halten. Oder wir spüren, dass das mit der Liebe, mit dem Frieden, mit der Gerechtigkeit glaubwürdig ist, aber davon sich bestimmen lassen ist schwer.
Sie können diese Anteile der 3 Adventsfiguren, des möglichen Umgangs mit Weihnachten, selbst beliebig ergänzen und mit Ihrer Erfahrung abgleichen.
Ich möchte aber noch kurz den Blick lenken auf das heilende, auf das heile Land, den Heiland, auf Weihnachten.
Weihnachten
Eine Geburt ist immer etwas unfassbares geheimnisvolles, Himmlisches. Es ist ein Hereinbrechen, hereinkommen, von göttlichem, von Leben. Denn Gott ist das Leben, der der Leben schenkt. Und das Leben kommt als Kind zu uns sanft, zärtlich, unaufdringlich, hilfsbedürftig, ja ohnmächtig.
Das Kind das zur Welt kommt, wie überhaupt jedes Kind steht mit dem Wunsch da, ja mit der festen Erwartung, dass es auf der Welt fair zugehen soll, dass es keinen Hunger geben soll, dass niemand allein sein möge, dass es keine Unterschiede geben soll zwischen den Menschen. Kinder gehen davon aus, dass dies so sein muss. Sie haben keine vage Hoffnung, sondern die bestimmte Erwartung, dass es so sein muss, dass es nicht anders sein kann.
Doch wenn sie überlegen, wenn die Sternforscher in Betlehem ankamen oder die Hirten, was haben sie gesehen, und entsprach das, was sie gesehen haben ihren Erwartungen? Tatsächlich sahen sie nur ein Baby, und ihre Eltern. Nicht mehr. Das war alles!
Wenn sie dieses Bild noch etwas ausschmücken wollen, dann ist das was es dazu noch zu sagen gibt auch nicht erhebend: Ein kleines Dorf Betlehem, ein armer Haus, ein Stall, keine Hebamme, kein Arzt. Nichts was auf etwas Besonderes hinweist.
Doch die Hirten und die Sterndeuter, das waren übrigens die einzigen die nach Betlehem, zum Stall kamen, sahen darin mehr. Das ist bemerkenswert. Sie sehen wo es nichts zu sehen gibt. Sie knien sich nieder, wo man nichts Äußerliches an wunderbarem sieht.
Wie die alten Mystiker sagen: Wir haben 3 Paar Augen (Richard von Viktor und Hugo von Viktor)
Augen des Fleisches,
Augen des Verstands und
Augen des wirklichen Verstehens.
Es kommt unser inneres Verstehen, auf unsere Sehnsucht an.
Advent heißt Sehnsucht auf die Ankunft: das ist Advent.