An Fasching tragen wir gerne Masken. Da können wir unerkannt in Rollen schlüpfen und ausprobieren wie wir wirken, was wir bewirken.

Da können wir uns selber als ganz anderer spüren, da können wir uns hineinsteigern in neue, fremde Gefühle. Frische, ungewöhnliche Empfindungen wahrnehmen. Ausbrechen aus eingefahrenen festen alltäglichen Rollen. Wegkommen von all den Rollen die wir alltäglich spielen müssen.

 

Vielleicht ist das ein Reiz, für viele. Sicher nicht für alle. Es gibt auch Fasnetsmuffel, die am liebsten all diesem Treiben entfliehen.

Masken kommen schon in der Zeit vor Jesu vor. Im griechischen Schauspiel spielte man mit Masken. Die Schauspieler schlüpften in verschiedene Personen, mit typisierten Masken. Daher kommt auch der Begriff Person.


Person meint allerdings heute genau das Gegenteil von dem was Petrus meinte wenn er sagte, dass Gott nicht auf die Person schaut. Person in der Bibel, in der Antike meint die Rolle, die Maske und nicht das Selbst.

Am verständlichsten wird dieser Sachverhalt, wenn wir an ein Theaterstück, an ein Schauspiel denken. Da gibt es den Schauspieler einerseits und die Rolle die er spielt andererseits. Der Schauspieler, das Selbst spielt beispielsweise ein Kommissar die Rolle. Der Kommissar ist also die Rolle oder in biblischer Sprache die Person oder in Faschingssprache die Maske.

Nun, jetzt kommen wir zum Kern: Gott sieht nicht auf unsere Masken, auf unsere Rollen, auf unsere Stellung im Welttheater. Konkret heißt das in der Sprache der Bibel. Gott schaut nicht auf Äußeres, wie, ob jemand Jude oder Heide, Sklave oder Freier, Grieche oder Hebräer ist.

Wenn wir das auf uns heute übertragen, heißt das, dass Gott nicht auf unsere Stellung und unsere Rolle die wir spielen schaut, also ob wir Lehrer, Handwerker sind, ob wir klug oder weniger klug sind, ob wir stark oder schwach sind, ob wir reich oder arm sind, ob wir deutscher oder nicht deutscher sind ob wir mutig oder ängstlich sind.

Wenn wir jetzt noch einen Schritt weitergehen und es auf unsere Beziehung übertragen, dann heißt es, dass es nicht darauf ankommt, ob wir verträumt oder realistisch sind, ob wir Antreiber oder Angetriebener sind, ob wir Spaßmacher oder nüchtern, sachlich sind, ob wir planend oder spontan sind, ob wir großzügig oder eher kleinlich sind, ob wir geduldig sind oder eilig sind.

Gott sieht nicht auf unsere Rolle, auf unsere Maske auf unsere Person.

Das hört sich stark, ungewöhnlich, ja verstörend an. Denn lieben wir unseren Partner nicht gerade deshalb, weil er so lustig ist oder weil er so klug ist, oder weil er so geduldig ist. Oder andersherum: Sind nicht gerade solche „Eigenschaften“ meines Partners Stolpersteine für unsere Beziehungen. Fällt es uns nicht schwer, wenn der Partner bspw. immer nur harmonisieren will und jedem Konflikt ausweicht, und einem Selbst ständig und immer wieder die Rolle zukommt, Konflikte anzusprechen. Oder wenn der Partner immer die Rolle spielen muss, „Bestimmer“ zu sein, immer das letzte Wort haben muss und somit eigene Interessen und Gedanken kaum einen Platz haben.

Sie können diese Rollen sicher konkretisieren. Wie ist das bei uns? Fühle ich mich mit der Rolle die ich habe wohl, fällt mir dies Rolle schwer?

Wie sehe ich die Rolle meines Partners ist sie für mich hilfreich? Geht es mir gut dabei?

Fragen mit denen sie sich  auseinandersetzen können.

Dabei ist es wichtig, dass wir uns vergegenwärtigen: Gott sieht nicht auf die Rolle, die Maske, die Person. Und wenn Gott nicht auf die Rolle sieht, müssen wir es auch nicht tun.


 

Aber worauf schaut denn Gott?

Dieser Frage sind wir bisher ständig ausgewichen. Mit dieser Frage haben wir uns nicht beschäftigt. Jetzt wollen wir uns dieser Frage stellen.

Kommen wir nochmals auf das Bild vom Schauspieler zurück. Da ist es klar. Die Rolle die jemand spielt, ist nicht identisch mit dem Schauspieler. Der Schauspieler spielt die Rolle nur. Es wäre verrückt, wenn der Schauspieler plötzlich die Überzeugung hätte, er sei der „Kommissar“. Genauso ist es mit unseren Rollen die wir spielen. Es wäre verrückt, wenn wir plötzlich glauben würden, wir wären „Bestimmer“ oder „klug“ oder ein „Witzbold“. Das sind die Rollen, die Masken, die Personen (im antiken, biblischen Sinne) die wir spielen.

Wir selber sind diejenigen, die diese Rollen spielen, gleichsam der „Schauspieler“ der diese Rollen spielt.

David Steindl Rast, ein benediktinischer Mönch, spricht vom Selbst welches wir sind, welche diese verschiedene Rollen spielt.

 


Wenn wir auf unsere Erfahrung schauen, wird uns sehr schnell deutlich was unter dem „Selbst“ gemeint ist.

Jeder von uns hat schon über sich nachgedacht, hat sich schon selbst beobachtet, hat reflektiert über sein Tun und Empfinden, über sein Wirken und über sein Erscheinen. Und derjenige der da über sich nachdenkt und sich beobachtet sind wir selbst. Dieser Beobachter, der Beobachter, den niemand mehr beobachten kann, der letzte Beobachter sozusagen das sind wir selbst. (im Bild gesprochen der Schauspieler). Wir selbst sind derjenige, der sich wahrnimmt, der von sich weiß, dass er beispielsweise schnell wütend wird oder eher ängstlich ist, oder viel Anerkennung braucht. Wir selbst sind dieser letzte Beobachter, der unsere Rollen, unsere Erscheinungen und Empfindungen und unsere Reaktionsweisen beobachtet.

Es ist gut wenn wir unsere Rollen gut spielen, dass wir unser Rollen in der Partnerschaft aufeinander abstimmen und zum Wohl von uns beiden, von uns allen ausführen. Es ist gut, wenn wir uns austauschen über unser Rollen, die wir miteinander und füreinander spielen. Dass wir Stolpersteine aus dem Weg räumen und uns gegenseitig beglücken.

Dafür ist es notwendig zu wissen was uns gegenseitig gut tut. Deshalb Austausch. Gemeinsames Gespräch. Ehrlich und nicht als Vorwurf formuliert. In „Ich“ Sätzen.

Wenn wir unsere Rollen gut spielen, dann läuft das Zusammenleben rund und gut. Problematisch wird es, wenn wir meinen wir sind diese Rolle, oder wenn wir glauben unser Partner ist diese oder jene Rolle. Wenn wir den Blick hinter diese Maske nicht für möglich halten. Wenn wir glauben, dass es hinter dieser Maske, dieser Rolle nichts mehr gäbe.

Gott sieht nicht auf diese Rolle, sondern auf uns selbst. Schauen auch wir auf uns selbst, hinter unsere Masken, und auf unseren Partner, hinter seine Masken. Schauen wir auf das Geheimnis, das wir für einander und für uns selbst sind. Auf das Geheimnis das wir in Wahrheit sind.


Hören wir ein Gedicht von Kahlil Gibran, der ausgesprochen schön über unser Selbst und über unsere Rollen und Masken redet.

Du fragst mich, wie ich zum Narren wurde? Das geschah so: Eines Tages, lange bevor die vielen Götter geboren waren, erwachte ich aus einem tiefen Schlaf und gewahrte, dass meine Masken gestohlen worden waren - die sieben Masken, welche ich in sieben Leben verfertigt und getragen hatte. - Unmaskiert rannte ich durch die vollen Straßen und schrie: "Diebe, Diebe, die verdammten Diebe!"
Männer und Frauen lachten. Einige liefen aus Angst vor mir in ihre Häuser.
Als ich zum Marktplatz kam, rief ein Junge von einem Hausdach: "Er ist ein Narr!" Ich blickte empor, um ihn zu sehen: Da küsste die Sonne erstmals mein bloßes Antlitz. Zum ersten Mal küsste sie mein bloßes Antlitz, und meine Seele entflammte in Liebe zu ihr, und ich wünschte mir keine Masken mehr. Wie in Trance rief ich: "Segen, Segen über die Diebe, die meine Masken gestohlen!"
So wurde ich zum Narren.
 
Aber ich will nicht zu stolz sein auf meine Sicherheit. Denn auch ein Dieb ist im Kerker sicher vor einem anderen Dieb.

Jetzt wird uns klar, was unser Selbst eigentlich ist, wer wir selber eigentlich sind. Wir selber ungeschützt ungetarnt, ohne Maske.

Wir sind von „der Sonne“ geküsst, nicht unsere Maske, nicht unsere Rolle: unser bloßes Antlitz. Und da „entflammte“ unsere „Seele“, wir Selbst in Liebe zu ihr.

Jetzt sind wir uns Selbst. Jetzt sind wir derjenige der wir sind.

Die Liebe ist es, die uns zu uns selbst führt. Und die uns zueinander führt. Liebe ist es, die es uns ermöglicht, Masken abzulegen, ja keine Masken mehr zu mögen. Liebe ist es, die es uns ermöglicht, miteinander ins Gespräch zu kommen über unsere Rollen, die wir füreinander haben. Liebe ist es, die nicht auf Äußeres schaut. Liebe ist es, die Furcht und Angst überwindet. Liebe ist es die die Mühelosigkeit schenkt, all unsere Statussymbole wegnehmen zu lassen.

Freilich wie Gibran schreibt, ist es nicht so einfach seine „Besitztümer“ wegnehmen zu lassen. „Diebe, Diebe, die verdammten Diebe“ die nehmen weg: Die Maske der Jugendlichkeit, die Maske der Stärke, der Coolness, der Überlegenheit, die Maske des immer eine Antwort Habens. All die Masken, die wir geübt haben. Auch die Maske des Recht Habens, des Korrekt seins.

Manchmal muss uns auch mal eine Maske „gestohlen“ werden, damit wir sie nicht mehr aufsetzen. Manchmal muss uns etwas genommen werden, damit wir nicht mehr meinen wir sind „Erfolgreich“, gesund und stark. Wir sind unsere Rolle. Und dann können wir wie in Trance rufen: „Segen, Segen über die Diebe die meine Masken gestohlen“.