Wir haben einen Garten mit 34 Obstbäumen. Als ich dieses Jahr die etwas verwilderten Bäume geschnitten habe, fiel mir auf, wie sehr die Äste dem Licht zugewachsen sind. Manche Äste schienen geradewegs hoch in den Himmel geschossen zu sein, sogenannte „Wasserschosser". Andere Äste, die in deren Lichtschatten wuchsen, schienen zu verkümmern. Mir wurde klar, die Äste standen zueinander in Konkurrenz um Licht.
Deshalb achtet man beim Bäume schneiden besonders darauf, dass die Äste, die Früchte tragen werden, genügend Licht kriegen. Man schneidet folglich die Äste heraus, die eher keine Früchte tragen, damit die verbleibenden Äste viel Sonne bekommen. Eine alte Regel besagt, dass man Bäume so schneiden muss, dass man eine Mütze durch die Baumkrone werfen kann. Nur so können große Früchte wachsen. Nur so bekommen die Früchte genügend Sonne und Nahrung.
Mir ist aufgefallen, dass dieses Bild sehr gut für uns Menschen passt. Auch wir brauchen Licht. Ganz konkret Sonnenlicht, aber genauso Licht im übertragenen Sinne. Seelisches Licht. Auch für uns gilt, dass wir aus unserem „Lebensbaum" „Äste", die Schatten machen, herausnehmen müssen. Ebenso „Äste" die wuchern, die kaum Früchte tragen und nur Kraft und Energie kosten. Wenn wir das tun, können die „Äste", die Früchte tragen besser wachsen. Sie bekommen mehr Licht und mehr Energie.
Welche Äste will ich in meinem „Lebensbaum" fördern? Für was will ich Platz schaffen? Was soll mehr Raum in meinem Leben bekommen? Für was will ich mehr Zeit aufwenden? Das Frühjahr ist dazu eine gute Gelegenheit, sich solche Fragen zu stellen. Die Antwort darauf heißt bei mir: Ich möchte meiner Familie, meinen Kindern und Freunden mehr Raum und Zeit geben.
Eine notwendige Voraussetzung dafür ist es, etwas lassen zu können. Also sich zu fragen: Welche „Äste" will ich aus meinem „Lebensbaum" herausnehmen? Was kostet nur Kraft und bringt nichts? Welche Gewohnheit und scheinbare Selbstverständlichkeit will ich ad acta legen?
Bei mir ist es das Bedürfnis nach Perfektion und das Bedürfnis es allen Recht machen zu wollen. Diese „Äste" möchte ich stutzen.
Was wollen sie lassen? Wofür wollen sie mehr Zeit und Raum schenken?