Eines der ältesten Tugenden unserer Kultur ist neben Ehrlichkeit und Treue, Dankbarkeit.
Manchen wurde schon als Kind beigebracht, dass sie, wenn sie etwas bekommen „Danke" sagen sollen. Manche Eltern erwarten einen „Dank" für ihr aufopferungsvolles Engagement für ihre Kinder.
Meist wird diese Erwartung nicht direkt ausgesprochen, sondern steht spürbar im Raum und wird nur dadurch sichtbar, wenn darüber gesprochen wird, wie undankbar die Kinder von,… sind die für ihre alt gewordenen Eltern gar nicht unterstützten, wo sie doch ihr ganzes Leben für sie aufgeopfert haben.
Dankbarkeit bekommt so einen moralischen unangenehmen „Geruch". Dankbarkeit als lästige Pflicht. Es ist aber auch nicht besser, wenn Eltern ihr Kind für jedes „Danke" das es sagt, belohnen. „Danke sagen" als Mittel, um Belohnungen zu verdienen. So etwas gibt es tatsächlich. Doch hier wird mehr Höflichkeit anerzogen, als wirkliche Dankbarkeit geweckt. Dankbarkeit wird so vielmehr zu einer Floskel, oder zu einem Mittel zum Zweck.
Dankbarkeit ist nach Cicero die Mutter aller Tugenden. Wobei Tugend nicht nur äußeres Verhalten, also zum Beispiel Höflichkeit meint, sondern etwas ganz Tiefes: Die Verwirklichung des Menschseins.
Dankbarkeit im tieften Sinn ist die Folge unserer Erfahrung, dass wir Beschenkte sind. Wenn wir genau hinschauen, dann müssen wir sagen, dass uns nicht nur das Leben gegeben wurde, sondern auch all das, was wir zum Leben brauchen. Allein die banale Feststellung: Es gibt uns, sagt zweierlei.
Die Feststellung, dass es uns gibt. Und 2. dass es irgendein „Es" gibt, das „uns" gibt. Also wir sind etwas Gegebenes.
Wie auch immer wir dieses Gegeben sein verstehen. Ob biologisch, oder religiös, immer ist es dasselbe Ergebnis: „Wir sind Gegebene". Wir erfahren uns als Gegebene. Wir haben uns nicht selbst „genommen", gemacht. Haben uns nicht entschieden zu sein. Irgendein „Es" hat uns gegeben.
Gewiss macht es einen Unterschied, ob wir dieses „Es“ als eine positive, wohl wollende, uns meinende und uns wünschende „Macht" verstehe oder nicht. Wie wir uns auch entscheiden, oder ob wir uns nicht entscheiden, egal, die natürliche, logische Reaktion auf diese Gegeben sein, ist Dankbarkeit. Dankbarkeit gegenüber dem Geber. Natürlich nur, wenn man sich als etwas Wertvolles ansehen kann. Als wertvolles Geschenk.
Danke für das wertvolle Geschenk: Mich! an den der „mich" gegeben hat.
Dankbarkeit ist die Reaktion auf diese positive Selbstannahme. Dankbarkeit ist kein partielles „Danke" für etwas Bestimmtes, sondern Dankbarkeit ist existenzielle Antwort auf mein Gegeben Sein. Ausdruck der Freude über mein Sein und Anerkennung der Wahrheit über mein Sein. Die Wahrheit meiner Gegebenheit. Das ist gegründet sein in der Wirklichkeit. Mein wahres Selbst ist sozusagen, mir gegeben, abhängig von dem der gibt.
Illusionen über mich, meiner vermeintlichen Größe und Unabhängigkeit werden so abgebaut. Annäherung an die Realität meines Selbst werden durch Dankbarkeit vollzogen.
Danke für mich.