"Wir haben keine Zeit, das Leben ist zu kurz für Streitigkeiten, Entschuldigungen, … und Abrechnungen. Da ist nur Zeit für Liebe,…" Mark Twain
Manche Menschen glauben an die Menschenrechte. Viele glauben an Gott. Aber praktisch alle Menschen glauben an Geld. Selbst Menschen die die westliche Kultur und Lebensweise verachten, streben nach Euros oder Dollars. Geld ist eine mächtige Erfindung der Menschheit. Geld erfordert Glaube, das heißt Vertrauen, dass die Scheine, die Kaurimuscheln, das Gold, was auch immer als Geld vereinbart wurde, einlöst, was es verspricht.
Im religiösen Sinne meint Glaube wesentlich Vertrauen. Religiöse Menschen vertrauen demjenigen, der sie geschaffen hat. Sie hören auf ihn, orientieren sich an seinen „Gesetzen". Vertrauen seiner Zusage, seinem Versprechen. Gott ist ihre Basis, ihre tiefste Realität.
Matthäus, einer der 12 Apostel, war von Berufswegen mit Geld beschäftigt. Er war Unternehmer. Er investierte Geld, um damit weiteres Geld zu verdienen. Er pachtete im Gebiet des Herodes Antipas die Zollrechte. Hatte also das Recht, von den reisenden Händlern Zollgebühren zu verlangen. Seine Zollstation war am nördlichen Ufer des Sees Genezareth. Kafarnaum hatte wohl in damaliger Zeit eine boomende Fischverarbeitungsindustrie. Der Handel blühte. Das Geschäft lief gut. Und damit gab es auch für die Zollunternehmer gutes Geld. Matthäus musste gut kalkulieren können. Er musste wissen, welche Preise gezahlt werden und welche Preise überzogen sind. Seine Tarife standen in Konkurrenz zu anderen Zollpächtern.
Er pflegte guten Kontakt mit den Händlern, den reisenden Geschäftsleuten, den Karawanenführern. Das waren seine Kunden. Mit ihnen musste er sich gut stellen. Mit ihnen machte er seine Geschäfte. Gutes Verhandlungsgeschick war notwendig. Von den Reisenden erfuhr er so manche Neuigkeit.
Matthäus verdiente gut, hatte wahrscheinlich ein großes Haus, Hauspersonal und Bedienstete. Ihm ging es finanziell gut. Das ist die eine Seite seines Lebens.
Die andere Seite sieht ganz anders aus: In seinem Volk hatte er weder Anerkennung noch Kontakt. Er wurde als Abtrünniger, als Sünder betrachtet, als einer, der mit der verhassten Besatzungsmacht gemeinsame Sache macht. Niemand von seinem Volk, wollte und durfte etwas mit ihm zu tun haben. Er war ausgeschlossen, gehörte nicht dazu. Verachtung begegnete ihm, wenn er es mit seinen Landsleuten zu tun bekam. Alle sahen in ihm nur den Zöllner, das bedeutete Sünder: Ausgesonderter!
Kurz: Ihm ging es finanziell gut aber zwischenmenschlich schlecht. Er gehörte nicht zur Gemeinschaft dazu, hatte aber alles, was man sich so wünschen kann.
Vielleicht ging es ihm so, wie es heute vielen Menschen geht, die zwar vieles besitzen, aber keine echten Freunde, keine stabile Familie und kaum Beziehungen haben.
Vielleicht hat Matthäus, der aus Kafarnaum stammt, einiges über Jesus gehört. Jesus war häufig im Haus des Petrus in Kafarnaum zu Gast. Eines Tages, so berichtet uns das Matthäusevangelium (9, 9-13) „sah er (Jesus) einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! Da stand Matthäus auf und folgte ihm."
Alles ging unheimlich schnell. Matthäus entschied sich rasch. Er überlegte nicht lange. Jetzt oder nie scheint seine Alternative gewesen zu sein. Obwohl er viel zu verlieren hatte: Seine Investitionen in die Zollpacht. Seine finanzielle Sicherheit. Seinen Wohlstand. Er leistete sich keine Bedenkzeit: Er sagte nicht: Ich muss meine Geschäfte noch zu Ende bringen. Er steht sofort auf und lässt alles stehen und liegen. Das ist verblüffend: Sofort, jetzt, sein bisheriges Leben, seine bisherige Lebensgrundlage verlassen. Den Sinn seiner Arbeit, das Geld zu verlassen und Jesus folgen. Die Chance, die sich ihm plötzlich bot zu ergreifen. Neu anzufangen. Alles auf eine andere „Karte" zu setzen. Die Brücken hinter sich abzureißen und einen ganz neuen Weg zu gehen: Den Weg Jesus zu folgen. Sich auf ihn zu verlassen. Jesus zu folgen heißt: Jesus nahe zu sein, zu ihm zu gehören.
Wenn man sich fragt, wie Jesus von Matthäus spricht, wie er mit ihm umgeht, fällt vor allem auf: Jesus sieht in Matthäus einen Menschen, nicht den Zöllner. Jesus hat ihn nicht in dieser „Schublade" einsortiert. Er nimmt den Menschen wahr. Er sieht hinter all dem Äußeren, der Erscheinung, eine andere tiefere Wirklichkeit. Er spricht ihn als Menschen an, nicht als verabscheuungswürdigen Abzocker. Vielleicht hat dies Matthäus ermutigt, herauszukommen aus seiner Rolle als Zöllner und Sünder, vielleicht sah er in der Aufforderung: "Komm folge mir nach" eine Chance Mensch zu sein, angenommen zu sein als Person und dazuzugehören als Mensch.
Manchmal braucht man jemanden, der einen aus seinem Klischee, aus seiner Rolle herausführt, indem er in ihm etwas ganz Anderes, etwas Attraktives sieht. Manchmal hat man sich so in seine Rolle hineingegeben, dass man glaubt man sei das was die Rolle einem vorschreibt. Manchmal sind die Erwartungen der anderen Menschen so deutlich und stark, dass man sich verpflichtet fühlt, diesen Rollenerwartungen gerecht zu werden.
Später war Jesus im Haus des Matthäus und „aß mit ihm und mit vielen anderen Zöllnern und Sündern." Matthäus erfährt von Jesus intensive Gemeinschaft. Jesus und seine Jünger bilden eine Tischgemeinschaft. Jesus geht zu Matthäus und isst mit ihm. Auch die Kritik der Schriftgelehrten bringt ihn nicht davon ab, bei einem "Sünder" einzukehren.
Matthäus verließ sein bisheriges Leben. Mitten in der Arbeit stand er auf und ging Jesus nach. Er begann ein neues Leben. Für mich heißt das, Glaube, Vertrauen in Jesus, ist nicht etwas, das mein Leben so belassen will, wie es immer schon war. Glaube ist keine bloße Ergänzung meines Lebens. Nicht bloß eine Zugabe zu meinem Leben, eine offen gehaltene Tür. (Vielleicht gibt es Gott doch) Nein! Jesus folgen, ihm vertrauen heißt: sich an ihm andocken, auf ihn setzten, sich an seinen Lebens- und Liebesstrom anbinden. Tun was er tat. Jesus sagte einmal man kann nicht zwei Herren dienen, Gott und dem „Mammon". Das heißt: man muss sich entscheiden, wem man folgt: Jesus, dem Sohn Gottes oder dem Mammon. Vielleicht ist es gerade heute wichtig: Die Anhänglichkeit und Abhängigkeit vom Geld, vor allem vom problematischen Gelderwerb abzulassen, um seine wirkliche Abhängigkeit wahrzunehmen. Seine Abhängigkeit vom Geber des Lebens. Um ihm dem liebenden Geber des Lebens anzuhängen.
Matthäus hat sich für Gott entschieden, für die Liebe, fürs Dazugehören, fürs Mensch sein. Er diente nicht mehr dem Geld, sondern dem, durch den alles geschaffen ist und auf den hin alles geschaffen ist: Christus.
Auch wenn man biographisch sehr wenig über Matthäus weiß, ist das, was man von ihm weiß, von besonderem Gewicht. Die beschriebene kurze biographische Szene bringt das "Apostel sein" auf den Punkt. Der Apostel folgt Jesus nach. Er schaut auf ihn, wird ihm von Mal zu Mal ähnlicher. Apostel sind ausschließlich an Jesus orientiert. Verlassen sich völlig auf ihn. Tun und üben ein, was Jesus tat. Ahmen ihn nach.
Ahmen auch wir ihn nach!